Mittwoch, 4. Dezember 2024

Einfach abgefahren: Zug lässt Rollstuhlfahrerin in Eschede stehen

Am vergangenen Sonntag erlebte Sandra*, eine Rollstuhlfahrerin aus Hannover, eine unfreiwillige Wartezeit in der Kälte am Bahnhof Eschede. Ihr Plan, mit dem Regionalexpress (RE2) von Eschede nach Hannover zu reisen, wurde durch eine Verkettung von Kommunikationsproblemen und fehlendem Service vereitelt – ein Umstand, der für Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine große Herausforderung darstellt.

Der Zug, der um 17:37 Uhr eintreffen sollte, hatte etwa zehn Minuten Verspätung. Da Sandra ihre Reise spontan antrat, war es ihr nicht möglich, die benötigte Unterstützung für den Einstieg vorab anzumelden – eine Vorgabe der Bahn, um Rollstuhlfahrern beim Ein- und Aussteigen zu helfen. Am Wochenende, so stellte sich heraus, sind die Servicetelefone jedoch nicht erreichbar, was eine spontane Anmeldung unmöglich machte.

Fehlende Unterstützung und geschlossene Türen

Sandra betätigte den Rollstuhlknopf am Multifunktionsabteil, woraufhin sich die Türen des Wagens öffneten. Allerdings erschien niemand, um ihr zu helfen. Ein Lichtsignal des Lokführers war zwar erkennbar, jedoch zu weit entfernt, um genauere Anweisungen zu geben. Nachdem die Türen sich wieder geschlossen hatten, erschien endlich eine Zugbegleiterin, um zu helfen. Doch kaum angekommen, schlossen sich die Türen erneut – diesmal direkt vor den Augen der Zugbegleiterin, die noch versuchte, sie wieder zu öffnen. Zur sichtlichen Verwunderung der Zugbegleiterin setzte sich der Zug in Bewegung, ohne Sandra mitzunehmen, da der Lokführer die Türen bereits verriegelt hatte.

Für die Rollstuhlfahrerin eine schwierige Situation: Der Elektro-Rollstuhl ist schwer und sperrig, was eine private Mitnahme durch ein Auto fast unmöglich macht. Zudem ist der Bahnhof in Eschede nur teilweise barrierefrei. Der Weg zur nächsten Brücke, die zum anderen Bahnsteig oder zum Ort führt, dauert für sie rund 15 Minuten – ein erheblicher Aufwand, besonders bei Dunkelheit und kaltem Wetter.

Serviceprobleme und alternative Lösung

In der Not wandte sich unsere Redaktion an einen Sprecher des Bahnunternehmens Metronom. Dieser entschuldigte sich für die Unannehmlichkeiten und betonte, dass Verspätungen grundsätzlich keinen Einfluss auf den barrierefreien Einstieg haben sollten. Der Vorfall werde intern geprüft, und man bedauere die Unannehmlichkeiten, die Sandra entstanden sind. Der Sprecher erwähnte zudem, dass im Bedarfsfall auch die Übernahme eines Taxis in Betracht gezogen würde, um sicherzustellen, dass Sandra ihr Ziel erreichen kann.

Als schließlich der nächste Zug eine Stunde später eintraf, half der Zugbegleiter rasch beim Einstieg und räumte genügend Platz für den Rollstuhl. Er erklärte, dass beim vorherigen Zug offenbar eine technische Störung der Rollstuhlrampe vorlag – eine Information, die jedoch weder online noch über die App abrufbar war.

Forderung nach Verbesserungen im Bahnservice

Der Vorfall verdeutlicht die Herausforderungen, mit denen mobilitätseingeschränkte Menschen im deutschen Bahnverkehr konfrontiert sind. Spontane Bahnreisen sind für Rollstuhlfahrer oft eine Belastungsprobe, da eine funktionierende Rampe und ausreichend Platz keine Selbstverständlichkeiten sind. Sandra hat bereits mehrfach Erfahrungen mit solchen Hindernissen gemacht, etwa kürzlich, als ein Ersatzfahrzeug des Anbieters erixx eingesetzt wurde, das keine Rampe für Rollstühle bot.

Während viele Zugmodelle heutzutage über automatische Rampen verfügen, sind Standards in Deutschland weiterhin variabel, da Bahnsteighöhen und Zugausstattungen von Netz zu Netz unterschiedlich sind. Wie der Zughersteller Alstom erläutert, erschwert dies den einheitlichen barrierefreien Zugang, da solche baulichen Unterschiede auch die Ausstattung und Anpassung der Fahrzeuge beeinflussen. Der einfache Transport von sperrigen Gegenständen wie Kinderwagen oder schweren Koffern stellt oft bereits eine Hürde dar – für Menschen im Rollstuhl wird dieser Transport jedoch häufig zu einer großen Herausforderung.

Nach einer Wartezeit von über einer Stunde gelangte Sandra schließlich sicher in den nächsten Zug nach Hannover. Dennoch zeigt der Vorfall, dass die Zugreise für viele Rollstuhlfahrer noch immer mit vielen Hindernissen verbunden ist und Verbesserungen notwendig sind, um auch Menschen mit eingeschränkter Mobilität eine verlässliche und sichere Fahrt zu ermöglichen.

*Name geändert

Redaktion
Celler Presse
Fotos: Celler-Presse.de

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